Beispiel

Zur Veranschaulichung der Logik des Funktionalen Kostensplittings gegenüber der des Kopplungsprinzips das folgende, fiktive Beispiel. Es wurde aus Daten des (BMVBS 2012) und einem Fallbeispiel aus der Bauschadensliteratur, an dem die Anwendung des Zielbaumverfahrens zur Klärung einer Wertminderung bei optischen Mängeln erläutert wurde (Klaas und Schulz 2002), konstruiert.

Das Fallbeispiel, in dem das Zielbaumverfahren veranschaulicht wird, wird wie folgt beschrieben:

„In einem, praktischen Fall waren bei einem Neubau eines Mehrfamilienhauses Teilflächen der Fassade anders gefärbt und strukturiert als der Großteil der Verblendung. Wegen der Auffälligkeit war der ästhetische Wert der Fassade beeinträchtigt. Dieser Mangel berechtigte zur Minderung der Vergütung. Sie wurde nach der Zielbaummethode vom Sachverständigen […] ermittelt. Dabei wurden alle relevanten Kriterien in Gebrauchswert und Geltungswert gegliedert und im Verhältnis 60% zu 40% gequotelt [vgl. OLG Düsseldorf: Baurecht BauR 1994, S. 136-147].“

Würde dieser optische Minderwert der Fassade nun nicht instandgesetzt, sondern die Fassade würde stattdessen energetisch modernisiert, würde die neue äußere Bauteilschicht, das WDVS, die Auffälligkeiten ebenfalls beseitigen und zugleich die Energieeffizienz der Fassade verbessern. Wie würden sich diese Gegebenheiten in den Vorgehensweisen zur Ermittlung des Mieterhöhungsbetrags niederschlagen?

Gegenüberstellung der Vorgehensweisen zur Ermittlung der Mieterhöhung nach energetischer Modernisierung

Bauteil: Außenwand, massives Verblendmauerwerk, 1m² groß
Maßnahme: 1 m² Wärmedämmverbundsystem (15 cm) auf Mauerwerk
Kosten: 123, – €/m²Bauteil WDVS (Dieser Kostenwert wurde übernommen aus: BMVBS 2012, S. 16-20)
Vorgehen: Kopplungsprinzip Vorgehen: ƒKs
Die abgerechneten Positionen werden unabhängig vom tatsächlichen Zustand des Bauteils jeweils in vollem Umfang den Gruppen „ohnehin erforderliche Maßnahmen“ oder „zusätzliche Maßnahmen für das WDVS“ zugeordnet.
In unserem Beispiel würden alle Positionen der äußersten Schicht des WDVS, dem Putz, der dem WDVS seine Ästhetik verleiht, in vollem Umfang den ohnehin erforderlichen Kosten zugerechnet. So ergeben sich energiebedingte Mehrkosten von durchschnittlich 51 €/m²Bauteil. Sie „resultieren aus dem Dämmstoff (Material), dem Verlegen des Dämmstoffs (kleben, schäumen, schleifen) sowie allen Nebenarbeiten für das WDVS wie z. B. die Dämmung im Sockelbereich, im Bereich von Loggien oder Fensterleibungen, den Sockelschienen, dem Dübeln des Dämmstoffs, aus eventuell erforderlichen Brandschutzausbildungen, systemgerechten Fensterbänken, dem evtl. erforderlichen Verlängern von Dachüberständen sowie aus allen zusätzlichen Maßnahmen zur Vermeidung von Wärmebrücken und kleineren Nebenarbeiten wie z. B. das Versetzen von Elektroanschlüssen.“ (BMVBS 2012, S. 20)
Das Funktionale Kostensplitting betrachtet stets die konkret geplante Maßnahme und das reelle Bauteil, an dem die Maßnahme vorgenommen werden soll, bzw. seinen Zustand vor und nach der Ausführung. Es betrachtet wie das Kopplungsprinzip ausschließlich die tatsächlich aufgewendeten Kosten und verlangt keine Schätzung von Kosten, die alternativ im Rahmen einer Erhaltungsmaßnahme entstanden wären. Vielmehr leitet es durch eine schätzende Bewertung der Funktionalität des betreffenden Bauteils vor und nach Ausführung der Maßnahme. Um diese möglichst auch für baufachliche Laien zu ermöglichen und zugleich für diese nachvollziehbar zu machen, gibt das Funktionale Kostensplitting eine schrittweise Bewertung ähnlich des Zielbaumverfahrens vor. Zudem bietet es Zuordnungsübersichten der Auswirkungen einzelner Bauteileigenschaften auf einzelne Bauteilfunktionen sowie der Einflussbereiche einzelner Bauschäden auf einzelne Bauteilfunktionen.

Wie sehen die Arbeitsschritte des ƒKs konkret aus?

1. Arbeitsschritt: Die Definition des künftigen Anforderungsprofils, dem Funktions-Soll NEU = mieterhöhungsrelevanter Kostenanteil

Aus der Beschreibung der Fassade in unserem Fallbeispiels (s.o.) und unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeitsfunktion eins jeden Bauteils in einem Mietobjekt, lässt sich der Funktions-Zielbaum (siehe Wie) für das Beispiels wie folgt in Tabellenform darstellen:

Mit einer nachträglichen Wärmedämmung wie hier dem WDVS beabsichtigten die Investierenden die Verbesserung der Energieeffizienz des Bauteils. Die Funktionen der Maßnahme können demnach wie folgt gewichtet werden:

„Diese Gewichtungen variieren in der Praxis objekt- und bauteilbezogen und sind entsprechend im Einzelfall nach fachlicher Schätzung vorzunehmen. Der Einfachheit halber sollte die 10 %-Abstufung aus dem Verfahren nach Aurnhammer übernommen werden […].“ (David 2019, S. 2004):

Da bis dato der Grad der Verbesserung keinen Einfluss auf die Mieterhöhung hat, kann vereinfachend davon ausgegangen werden, dass das bestehende Bauteil und die Bauteilschicht fortan zu gleichen Teilen an der Gesamtfunktionalität des modernisierten Bauteiles beteiligt sind. Damit ergibt sich für das Funktions-Soll NEU:

1. Zwischenergebnis:

Sollten die Funktionen Feuchteschutz, Wärmeschutz und Wirtschaftlichkeit infolge der Maßnahme tatsächlich verbessert werden, so sind 58% der aufgewendeten Kosten i.H.v. 123 €/m²Bauteil, d.h. 71,34 €/m²Bauteil mieterhöhungsrelevant.

2. Arbeitsschritt: Die Bewertung der tatsächlichen Verbesserungen einzelner Funktionen infolge der geplanten energetischen Maßnahme = funktionale Verbesserungen = Modernisierungskostenanteil

Auch für die Prüfung, ob die Funktionen über die geplante energetische Maßnahme tatsächlich verbessert werden, bietet das Funktionale Kostensplitting eine Übersicht. Sie listet die einzelnen Bauteil-Funktionen und gliedert diese jeweils in konkrete Anforderungen, die an das Bauteil gestellt werden, um die jeweilige Funktion erfüllen zu können. Diesen Anforderungen sind wiederum konkrete Eigenschaften zugeordnet, die das Bauteil haben muss, um seinen Anforderungen gerecht werden zu können. Diese Aufgliederung veranschaulicht den AnwenderInnen, welchen Einfluss sie mit der geplanten Maßnahme tatsächlich auf das Bauteil bzw. auf seine Eigenschaften nehmen. Sollten sie die Eigenschaften aus dem eigenen Wissen nicht beurteilen können, so können Bautabellen helfen (bspw.: Albert 2018).

Als Vergleichs-Methode kann je ein Zielbaum der jeweiligen Funktion vor und nach der Maßnahme auf Basis der vorausgefüllten Angaben im Anhang der drei Arbeitsblätter des Funktionalen Kostensplittings angefertigt werden.

Werden bei diesem Vergleich tatsächliche Verbesserungen festgestellt, so ist dies in dem dafür vorgesehenen Feld einzutragen. In dem Fall gilt der Kostenanteil, welcher dem Anteil der verbesserten Funktion am Funktions-Soll NEU entspricht, als tatsächlich aufgewendete Modernisierungskosten, die zu einer Mieterhöhung gem. § 559 BGB berechtigen.

2. Zwischenergebnis:

Werden lediglich die Funktionen des Wärme- und des Feuchtschutzes verbessert, so berechtigen 48% der aufgewendeten Kosten zu einer Mieterhöhung gem. § 559 BGB.  In diesem Beispiel wären dann von aufgewendeten Kosten i.H.v. 123,-€/m ²Bauteil 59,04 €/m ²Bauteil als Modernisierungskosten zu verstehen, von denen 8% jährlich zur Kaltmiete hinzugerechnet werden dürfen.  

Anmerkung 1: In diesem Schritt des Funktionalen Kostensplittings lohnt es auch Funktionen zu betrachten, deren Verbesserung nicht Bestandteil der Planung war. Wird beispielsweise „unbeabsichtigt“ die Schallschutzfunktion des Bauteils über die nachträgliche Wärmedämmung verbessert, so berechtigt auch der Kostenanteil, welcher der Gewichtung dieser Funktion innerhalb des Funktions-Soll NEU entspricht. Zu einer Mieterhöhung gem. § 559 BGB.

Anmerkung 2: „Werden im Zuge dieser Bewertung Verschlechterungen einzelner Funktionen des Funktions-Solls NEU gegenüber denen vor der Maßnahme festgestellt (bspw. eine negative Veränderung der Ästhetik), so muss der prozentuale Anteil der betreffenden Funktion am Funktions-Soll NEU als Negativbetrag in die Spalte der Modernisierungsanteile eintragen werden. Der funktionale Anteil einer verschlechterten Funktion an den Kosten der Maßnahme berechtigt nicht zu einer Mieterhöhung nach Modernisierung – er führt zu einer Minderung des zu einer Mieterhöhung berechtigenden Kostenanteils.“ (David 2019, S. 213)

Diesem Kostenanteil sind nun lediglich noch die nicht-mieterhöhungsrelevanten Kostenanteile gem. § 559 Abs. 2 BGB abzuziehen.

3. Arbeitsschritt: Die Bewertung vor der Modernisierung vorhandener Untererfüllungen = Kostenanteil für den erforderlichen Erhalt

„Sind Schäden und Mängel am Bauteil vorhanden, infolge derer sich die Eigenschaften des Bauteils verschlechtern, so wird die Funktion, der die Anforderung untergeordnet ist, nicht mehr in vollem Umfang erfüllt.

Ist bspw. […] die Eigenschaft des Bauteils bezüglich der Witterungsbeständigkeit infolge einer Lücke in der äußeren Farbbeschichtung verschlechtert, so wird die Funktion des Feuchteschutzes nicht mehr vollständig erfüllt. Der Anteil der Untererfüllung des Funktions-Solls IST, welches es seit Ingebrauchnahme des Objektes instand zu halten gilt, entspricht dem Anteil, welcher dem mieterhöhungsrelevanten Kostenanteil der energetischen Maßnahme abzuziehen ist.“ (David 2019, S. 214)

Um derartige Schäden am Bauteil zu finden, ist es in der Praxis bereits weitegehend akzeptiert und entsprechend auch bei Anwendung des Funktionalen Kostensplittings vorgesehen, das Bauteil in Augenschien zu nehmen – also gründlich optisch zu inspizieren. Aus den sichtbaren Schäden können unter Zuhilfenahme des dafür vorgesehenen Formulars des Funktionalen Kostensplittings Rückschlüsse auf geminderte Funktionserfüllungen gezogen werden. Dafür müssen lediglich der Schaden benannt und sein prozentualer Anteil an der gesamten inspizierten Bauteiloberfläche sowie die trotz dieses Schadens weiterhin prozentual vorhandenen Resteigenschaften der schadhaften Fläche geschätzt werden. Aus den eingegebenen Schätzwerten errechnet das Funktionale Kostensplitting sodann die abzuziehenden Kostenanteile und den finalen Mieterhöhungsbetrag.

Sind an dem Bauteil vor Ausführung der Maßnahme – wie oben beschrieben – teilweise optische Mängel vorhanden, so werden diese über eine nachträgliche äußere Wärmedämmung beseitigt bzw. verborgen. Diese Mängel führen in diesem Beispiel jedoch nicht zu einer Minderung der aufgewendeten Modernisierungskosten. Denn diese berechtigen zu einer Mieterhöhung, da sie für Funktionen stehen, die infolge der Maßnahme verbessert werden (Feuchteschutz und Wärmeschutz). Die Gestaltungsfunktion wird in diesem Beispiel jedoch nicht verbessert, weshalb ihr Anteil an dem Funktions-Soll NEU bereits in Schritt 2 des Funktionalen Kostensplittings nicht als Modernisierungskosten anerkannt wurde. D.h. der optische Mangel wird ohnehin mit der Maßnahme ohne eine Mieterhöhung beseitigt.

Sind jedoch Schäden wie die geschilderte Lücke in der äußeren Farbbeschichtung vorhanden, so hat dieser Schaden Einfluss auf eine der Funktionen, die mit der Maßnahme verbessert wird: die Feuchteschutzfunktion.

D.h. es ist zu schätzen inwiefern diese Funktion vor Ausführung der Maßnahme noch erfüllt wurde und diese Mindererfüllung ist dem Kostenanteil, welcher für die Verbesserung dieser Funktion zu einer Mieterhöhung berechtig, abzuziehen.

Beispiel: Auf 20% der Fläche kommt es zu Abblätterungen der äußeren Farbbeschichtung. Trotz dieses Schadens ist die Dichtigkeit des Bauteils noch zu 40%, die Dauerhaftigkeit zu 50% und sind die Diffusionseigenschaften noch zu 50% vorhanden. Daraus ergibt sich mathematisch, dass das Bauteil seine Feuchteschutzfunktion noch zu 89% erfüllt, bzw. zu 11% Untererfüllt. Sind keine weiteren Schäden vorhanden, die Einfluss auf die Feuchteschutzfunktion hätten, so ergibt die Multiplikation des Grades der Untererfüllung (11%) mit der Gewichtung der Funktion innerhalb der Funktions-Solls IST (denn dieses wäre im laufenden Mietverhältnis instand zu halten gewesen) den Abzug des Kostenanteils, der zuvor als aufgewendete Modernisierungskosten identifiziert wurde. In diesem Beispiel ergäbe sich ein Abzug i.H.v. 1%.

Ergebnis: Unter Berücksichtigung des § 559 Abs. 2 BGB sind den aufgewendeten Modernisierungskosten 1% für die Untererfüllung der Feuchteschutzfunktion des Bauteils vor Ausführung der Maßnahme abzuziehen. D.h. es können (in dem Fall, in dem tatsächlich lediglich die Feuchte- und die Wärmeschutzfunktion des Bauteils verbessert werden) 47% der aufgewendeten Kosten Grundlage einer Mieterhöhung nach energetischer Modernisierung sein. Von den Vollkosten der Maßnahme i.H.v. 123,-€/m²Bauteil können 57,81€/m²Bauteil zu 8% auf die jährliche Kaltmiete aufgeschlagen werden.

Fazit: Dieses einfache Anwendungsbeispiel des Funktionalen Kostensplittings zeigt, dass sich die Beträge, welche Grundlage einer Mieterhöhung gem. § 559 Abs. 1 BGB werden, angleichen. Die Anwendung des Funktionalen Kostensplittings bei der Ermittlung von Mieterhöhungsbeträgen infolge energetischer Maßnahmen führt folglich zu reellen Mieterhöhungen, die sich den politischen Erwartungen (siehe Wofür) annähern. Auf lange Sicht wird dies die gesellschaftliche Akzeptanz energetischer Maßnahmen steigern und damit ein wesentliches Hemmnis für Investitionen in energetische Maßnahmen zugunsten der Umsetzung der klimapolitischen Ziele abgebaut.