Wie

Als praxisgeeignete Variante des Kopplungsprinzips zerlegt auch das Funktionale Kostensplitting die entstehenden oder entstandenen Kosten energetischer Maßnahmen in die Gruppen mieterhöhungsrelevante Modernisierungskosten und nicht-mieterhöhungsrelevante Erhaltungskosten.

Dabei geht es allerdings nicht wie das Kopplungsprinzip mit „Entweder-Oder“ vor. Vielmehr geht das Funktionale Kostensplitting davon aus, dass jede energetische Maßnahmen ein Bestandsbauteil modernisiert und zugleich erhält. Also werden auch die entstandenen Kosten energetischer Maßnahmen entlang der Anteile der tatsächlichen Verbesserung und der Erhaltung des Bauteils zergliedert – gesplittet. Dafür werden die Funktionen des Bauteils und der Grad ihrer Erfüllung vor und nach Ausführung der energetischen Maßnahme betrachtet.

Übersicht:

Was ändert sich bei der Ermittlung des Betrages der Modernisierungsmieterhöhung nach § 559 BGB?

Kopplungsprinzip Funktionales Kostensplitting

Welche Grundannahme liegt der Ermittlung des Mieterhöhungsbetrages zugrunde?

„Die EnEV koppelt die Anforderungen an eine nachträgliche Dämmung der Außenwand an eine ohnehin erforderliche umfassende Instandsetzung der Fassade.“ (BMVBS 2012, S. 21)   „Kosten für die Verbesserung von Bauteilfunktionen sind mieterhöhungsrelevant, Kosten für die Erhaltung oder Wiederherstellung von Bauteilfunktionen sind nicht-mieterhöhungsrelevant.“ (David 2019, S.175)

Was bedeutet das für die aufgewendeten Kosten?

„Es gilt die Vollkosten der Instandhaltung und Modernisierung in Kosten für wohnwertverbessernde Maßnahmen, Vollkosten der Sanierung und energiebedingte Mehrkosten zu unterscheiden.“ Die jährliche Miete darf gemäß § 559 BGB um 8% der energiebedingten Mehrkosten erhöht werden. (dena 2010, S.12)   Der Anteil der Funktionen der Gesamtfunktionalität des Bauteils nach der energetischen Maßnahme, die verbessert werden, entspricht dem Anteil der aufgewendeten Kosten, der gem. § 559 BGB zu einer Mieterhöhung berechtigt. (David 2019, S. 186)
Dieser Anteil kann jedoch nur dann vollumfänglich bei der Ermittlung der Mieterhöhung angesetzt werden, wenn die betreffende Funktion vor der Maßnahme noch vollumfänglich erfüllt wurde. (David 2019, S. 202)

Wie wird der mieterhöhungsrelevante Kostenanteil ermittelt?

Die Kosten energetischer Maßnahmen werden in ihre einzelnen, abgerechneten Positionen zerlegt und diese dann jeweils in vollem Umfang entweder den Sanierungskosten oder den energiebedingten Mehrkosten zugeordnet: „Im Bericht werden als Vollkosten die Kosten nach Kostengruppen 300 und 400 DIN 276 definiert. Auf Basis der Auswertungen wurden für bau- und anlagentechnische Komponenten die im Zuge einer ohnehin erforderlichen Instandhaltung bzw. Modernisierung entstehenden Kosten bzw. die zusätzlichen energiebedingten Mehrkosten als Folge zusätzlicher energiesparender Maßnahmen abgeleitet.“ (BMVBS 2012, S. 14) Die aufgewendeten Kosten werden entlang der Funktionalität des betreffenden Bauteils vor und nach der energetischen Maßnahme in mieterhöhungsrelevante und nicht-mieterhöhungsrelevante Kosten aufgesplittet.
Dafür werden die einzelnen Funktionen vor und nach der Modernisierung gewichtet. Die
Anteile der Funktionen, die nach der Modernisierung tatsächlich verbessert werden, entsprechen den mieterhöhungsrelevanten Kostenanteilen. (Mehr dazu siehe David 2019, S. 192-199.)

Wie werden die Kosten für den erforderlichen Erhalt ermittelt?

Alle Positionen, die im Falle einer Sanierung ebenso ausgeführt worden wären, werden den mieterhöhungsrelevanten Kosten vollumfänglich abgezogen.Die Anteile vorhandener Untererfüllungen einzelner Funktionen im Funktions-Soll IST werden den erhöhungsrelevanten Kosten abgezogen.

Arbeitsgrundlage des Funktionalen Kostensplittings ist ein Verfahren, dass sich zur Ermittlung von Wertminderungen bereits gut etabliert hat: Das Zielbaum-Verfahren nach Aurnhammer (vgl. Aurnhammer 1978):

Zielbaum einer Außenwand (Klaas und Schulz 2002, S. 196).

Mithilfe dieses Zielbaum-Verfahrens wird die funktionale Beschaffenheit eines Bauteils beschreibbar. Es zeigt die einzelnen Anforderungsbereiche von Bauteilen auf und erlaubt deren einzelfallbezogene, nachvollziehbare Gewichtung. So ist beispielsweise die Gestaltungsfunktion im Falle einer Hoffassade eines Gründerzeitgebäudes niedriger zu gewichten als bei der Straßenfassade desselben Gebäudes. Denn gegenüber der schlichten Hoffassaden waren und sind die zur Straße hin ausgerichteten Fassaden häufig aufwendig historisierend verziert. Die oberste Geschossdecke dagegen liegt im Verborgenen und erfüllt entsprechend fast ausschließlich baustatische wie bauphysikalische Funktionen.

Auf Basis solcher Bewertungen lassen sich sowohl die bestehende als auch die beabsichtigte und die tatsächliche funktionale Veränderung eines Bauteils infolge energetischer Maßnahmen einschätzen. Darüber hinaus können auch möglicherweise vorhandene funktionale Minderungen am Bestandsbauteil auf der Basis dieses Verfahrens identifiziert und schätzend gewichtet werden.

Das Funktionale Kostensplitting verfährt in drei Stufen:

Stufe 1:

Die Gewichtungen der einzelnen Funktionen der neuen Soll-Funktionalität des Bauteils dienen der Identifikation mieterhöhungsrelevanter Kostenanteile. Sie können unter Anwendung des Zielbaums pauschalierend und zugleich übersichtlich ermittelt werden. 

Stufe 2:

Die prozentualen Anteile einzelner Funktionen an der gesamten Soll-Funktionalität NEU können dann zu den aufgewendeten Modernisierungskosten gezählt werden, wenn die entsprechenden Funktionen in Folge der energetischen Maßnahme verbessert werden. Wie Minderungen können auch Verbesserungen mittels Zielbaum-Methode eingeschätzt und nachvollziehbar dargestellt werden. 

Stufe 3:

Diesen Kosten in Abzug zu bringen sind prozentuale Mindererfüllungen einzelner Funktionen des Funktions-Solls IST, das während der Mietzeit instand zu halten ist. Auch für diese Bewertung eignet sich die Vorgehensweise des Zielbaum-Verfahrens.

Der resultierende Mieterhöhungsbetrag basiert damit auf der sachgerechten Größe der tatsächlichen Verbesserung eines Bauteils infolge einer energetischen Maßnahme.


Beispiel


Literatur

Aurnhammer, H.E. (1978): Verfahren zur Bestimmung von Wertminderungen bei (Bau-) Mängeln und (Bau-) Schäden. In: Baurecht (Heft 5), S. 356–367.

BMVBS (Hrsg.) (2012): Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung: Kosten energierelevanter Bau- und Anlagenteile bei der energetischen Modernisierung von Wohngebäuden. BMVBS-Online-Publikation, 07/2012, Berlin, Juni 2012. Bearbeitung: Hinz, Eberhart. Institut Wohnen und Umwelt (IWU), Darmstadt. Online verfügbar unter https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Veroeffentlichungen/ministerien/BMVBS/Online/2012/DL_ON072012.pdf?__blob=publicationFile&v=2, zuletzt geprüft am 19.12.2019

David, Kirsten (2019): Funktionales Kostensplitting zur Ermittlung von Mieterhöhungen nach energetischen Maßnahmen – Eine Handlungsempfehlung auf Basis theoretischer und empirischer Untersuchungen. Hamburg, November 2019. Online verfügbar unter: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:gbv:1373-opus-5085, zuletzt geprüft am 13.12.2019.

dena (Hrsg.) (2010): Deutsche Energie-Agentur GmbH: dena Sanierungsstudie. Teil 1: Wirtschaftlichkeit energetischer Modernisierung im Mietwohnungsbestand. Begleitforschung zum dena-Projekt „Niedrigenergiehaus im Bestand“. Autoren: Discher, Henning (dena); Hinz, Eberhard (IWU); Enseling, Andreas (IWU); Leitung: Pillen, Nicole; (dena). Berlin, Dezember 2010. Online verfügbar unter https://www.dena.de/fileadmin/dena/Dokumente/Pdf/9122_dena-Sanierungsstudie_Teil_1.pdf, zuletzt geprüft am 13.12.2019.

Klaas, Helmut; Schulz, Erich (2002): Schäden an Außenwänden aus Ziegel- und Kalksandstein-Verblendmauerwerk. Mit 161 Abbildungen und 13 Tabellen. Stuttgart: Fraunhofer-IRB-Verlag (Schadenfreies Bauen, Bd. 13).